Aus Gedächtnis nachgebaut

Viele Gebäulichkeiten auf den Flumserberger Maiensässen zeigen sich im Baustil identisch, setzen sich aus Stall und talwärts angebautem kleinem Wohnhaus zusammen. In präziser Handarbeit hat Ernst Rupf die einstigen Maiensäss-Gebäude der Eltern nachgebaut.

von Pius Rupf 

 

Die Eltern des Kleinbergers Ernst Rupf und seines Bruders Kurt bewirtschafteten im Saxli einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb.Die meisten Bauern am Grossund Kleinberg besitzen weiter oben ihre Maiensässe, die in der Umgangssprache aber Wiesen genannt werden. Rupfs etwas unterhalb der Sässliwiese bestehende Maiensäss-Liegenschaft «Hintere Wiese» war, eher unüblich, flächenmässig grösser als das Heimwesen im Saxli. Daher wohnte die Familie fast drei Viertel des Jahres oben in der Hinteren Wiese, die mit keiner Strasse erschlossen war. Wie der heute 67-jährige Ernst gegenüber dem «Sarganserländer» ausführte, wurde dort das an «Burdi» gebundene Heu noch bis 1963 auf den Heugaden getragen. Im Jahre 1984 sind die damals ausgemieteten Gebäulichkeiten bis auf die Grundmauern abgebrannt.

 

Aus dem Gedächtnis nachgebaut

 

Es versteht sich, dass Ernst Rupf zur abgelegenen Hinteren Wiese noch heute eine besondere Beziehung hat, verbrachte er doch bis zu seiner Heirat mit 25 Jahren die meiste Zeit des Jahres auf dem an die Alp Gafröen grenzenden Maiensäss. Er begann im letzten Jahr als Rentner, die Gebäude die er in seinem Gedächtnis noch genau bis ins Detail bewahrt hat, im Massstab von etwa 1:20 nachzubauen. Nach monatelanger Handarbeit kann er nun sein einem Spielzeug gleichendes Werk präsentieren. Das «Kunstwerk» mit dem Miniatur-Innenausbau bringt den Betrachter ins Staunen.

 

4500 klitzekleine Schindeln geschnitzt

 

Allein für die Dächer schnitzte er 4500 Schindeln in der Grösse von  Kleinfingernägeln und etwas grössere Schindeln, die er an die drei Aussenwände des Stalls angeschlagen hat. Originalgetreu nachgebaut sind die «Pfnille» zum Lagern von Laub und ein weiterer Stallteil für die Streue. Eine Leiter führt zur Vordiele hoch, und über den Rundholzsteg wurden die Heuburden geradlinig auf den Gaden getragen. Übrigens kann das Schindeldach mit den Dachpfetten, geschnitten aus geschälten Haselruten, abgehoben werden. Damit gibt es die Sicht frei auf den Heustock und den gegenüberliegenden Stock mit Maienheu und Emd.

 

Von Türfallen bis Plattenofen

 

Peinlichst genau in geduldiger Handarbeit nachgebaut hat Ernst auch das ehemalige Wiesenhäuschen. Wenn wie beim Stall das Schindeldach abgehoben wird, kommen die filigranen Inneneinrichtungen zum Vorschein. Im Wohnzimmer der Verrucano-Plattenofen mit angegliederter «Chuscht», also die Sitzbank mit der Brandmauer dahinter. Dann Kanapee, Tisch mit Stabellen, Küche mit «Chuchichäschtli». Bei der Nachahmung des Kochherdes hat Rupf das integrierte Wasserschiff mit dem Messingdeckel nicht vergessen. Einen Trinkwasseranschluss im Wiesenhaus kannte man damals nicht. Im kleinen Schlafzimmer übernachteten die Eltern und in zwei Kajütenbetten die beiden

Söhne. Dem Haus hinten angegliedert steht das WC-Häuschen, das früher «Hüsli» oder «Abtritt» genannt wurde.

 

Sämtliche Türen im Haus und Stall können geöffnet werden und sind mit Beschlägen und Türfallen versehen. Zur Fertigung der kleinen Metallteilchen profitierte Rupf sicher von seinem früheren Beruf als Instrumentenbauer. Die niedlichen Fensterläden können auf- und zugemacht, ja sogar ausgehängt werden. Dem ehemaligen Maiensäss Hintere Wiese präzise nachgebaut sind auch die Grundmauern und der Verrucano-Plattenbelag vor dem Eingang. Sogar der Dengelstein mit dem Werkzeug zum Dengeln der Sense ist am richtigen Ort platziert. Wer das ganze Objekt genau betrachtet, das in monatelanger Handarbeit entstanden ist, kommt zur Einsicht, dass es ein

richtiges Kunstwerk darstellt. Ernst Rupf müsste seinen Gebäudekomplex Hintere Wiese bei Gelegenheit ausstellen, etwa im Dezember an der Hobby- und Freizeitausstellung der Flumser Schnitzerfreunde.